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: Horizont - Fachmedium für Marketing
Parkverbot für Nichtraucher
Eine mehr als eindeutige Aufforderung, auch künftig gefälligst weiter dem Rauchen zu frönen, verpackt die Hamburger Agentur Slagman's in
die wunderbar doppeldeutige Aussage "Laster abstellen verboten!". In drei Wörtern, die einem Befehl gleichkommen.
IN ZEITEN, DA DAS DAMOKLESSCHWERT des Tabakwerbeverbots über der Branche schwebt, ist das Printmotiv für die
australische Zigarettenmarke Winfield eine wohltuende Abwechslung im Kippenbusch. Und zwar eine, die man auf Anhieb versteht. Eine, bei der man nicht stundenlang über den Sinn von
"Ich auch" nachdenken muß. Endlich wird mal wieder augenzwinkernd für eine Zigarrettenmarke geworben. Endlich nimmt sich mal einer intelligent der Abertausende nikotinab- hängigen Menschen an.
Und das Schöne daran: jenseits des Pseudo-Images glück- licher Raucher und dämlicher Plüschtiere.
Zugegeben: Der Auftritt ist zwar nicht politisch korrekt, dafür aber
entwaffnend ehrlich. Zusätzlichen Charme bekommt die Anzeige durch den einfühlsamen Seitenhieb auf den deutschen Amtsschimmel: Zwar spielt die
Szenerie im australischen Busch, aber jeder Politessen-geplagte Autofahrer wird es ungeprüft für mög- lich halten, daß selbst in der weitesten und
gottverlassensten Prärie einen Platz gibt, an dem das Abstellen von Lastern verboten ist.
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Nike: Die Götter spielen verrückt
So muß es gewesen sein: Vor langer, langer Zeit, da lebten ein paar
gehässige, miese Wettergötter im Himmel. Ihr Job war es, das Wetter auf dem blauen Planeten im Zaum zu halten. Quasi dafür Sorge zu tragen, daß es im Winter schneit, im Herbst stürmt, daß im Sommer die Sonne scheint
und es im Frühling regnet. So weit, so gut. Aber, und das kann man ja nachvollziehen, wenn man diesen Job ein paar Millionen Jahre lang macht, wird's auch im Himmel irgendwann ziemlich langweilig.
UND GENAU DAS IST DER ZEITPUNKT, an dem das neue Nike-Commercial "Heaven" ansetzt.
Die Amsterdamer Agentur Wieden & Kennedy läßt die Wettergötter verrückt spielen. Eine amüsante Angelegenheit im TV-Spot (Filmproduktion: Partizan, London, Regie: Joe Public) für die Nike-Trainingsjacke mit dem
wohlklingenden Namen Alpha Project Clima Fit Lite Jacket. Faszinierend an dem Spot sind mehrere Dinge: Die ausgereift wirkende Geschichte jenseits
penetranter Produktpräsentation ist außergewöhnlich, sie wird zudem so erzählt, daß sich ein Spannnungsbogen aufbaut. Doch damit nicht genug - sie ist brillant gefilmt und marschiert
schnurstracks auf den Höhepunkt zu. Denn die kreativen Wettereskapaden machen weder der Jacke noch der in ihr steckenden Läuferin was aus. Ergo
greift einer der Wettergötter zu drastischeren Mitteln. Er wirft ihr erst einen Frosch auf den Kopf, dann Tausende. Das zeigt die Wirkung, die Wind und
Regen nicht geschafft haben: Die Frau hört entnervt auf zu joggen und sucht Unterschlupf.
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Sündenpfuhl im Odenwald
Große Bilder, die nichts sagen. Vollmundige Versprechen, die kein Mensch glaubt. Kreation, die den Eindruck erweckt, daß eine Agentur aus
Michelstadt im Odenwald am Werk war – Krauter eben, die endlich auch mal in die große weite Welt der TV-Werbung wollen. Die Rede ist nicht vom neuen Kaufen-Sie-jetzt-Dachdeckerhammer mit Ledergiff und gehärteter
Schlagfläche, sondern vom TV-Spot (Produktion: Markenfilm, Wedel; Regie: Doug Nichol) für die Schöller- Eismarke La Crema. Was Schöller und
die Frankfurter Agentur Saatchi & Saatchi da der Werbenation in 45 Sekunden anbieten, ist unter aller Kanone.
EIS, DAS IN EINEM UNSCHULDIGEN SAHNEMANTEL steckt. Was, bitte schön, ist so unschuldig an Sahne? Daß sie sich nicht wehrt, wenn sie
geschlagen wird? Daß sie weiß ist? Und was um Himmels willen ist so verdammt sündig am Inneren von La Crema? Daß es kalt ist? Daß es am Stiel ist? Daß man bei Lutschen am Stil so schnell an Clinton und Lewinski
denkt? Sündig ist allein der Versuch, der Nation so etwas – wie heißt es so schön in der Pressemitteilung – als "unvergleichliche Cremigkeit und
Stückigkeit" zu servieren. Und die Bilder – dadurch, daß man in Kinobildern denkt, daß man einen Schuß Erotik reinpackt, die Lippen knallrot anmalt,
ein bißchen auf 9½ Wochen macht und an niedere Instinkte appelliert, das macht eine schwache Ausgangsidee auch nicht besser. Sondern erweckt den Eindruck, daß man nur eiskalt den Ideenmangel kaschieren will.
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Ricola: Immer diese Lügner
Das macht man
nicht. Schon im Kindergarten gab's dafür eine Standpauke, in der Schule sowieso. Und später, im Job, na ja, eine Notlüge ist allerhöchstens erlaubt. Doch was die Australier im zweiten
Ricola-Spot (Produktion: Jo Schmid, Regie: Martin Schmid) an Aufschneiderei auffahren, ist nicht aus der Not geboren, sondern anmaßend. SIE BEHAUPTEN NÄMLICH - wie schon die Finnen im ersten Spot -,
Ricola sei ihre Erfindung. Quasi Nationalgut wie Barrier Reef, Ayers Rock, Winfield und Foster´s. Mit dieser weitergeführten Lügenbold-Idee bewirbt
JvM am Main das Schweizer Kräuterbonbon. Eine konsequente und schöne Fortsetzung des Kampagnengedankens. Schön deshalb, weil sie damit - bewußt oder unbewußt - in der Markenwelt und in der Werbung
weitverbreitete Macken aufs Korn nimmt. Bleiben wir bei der Werbung: Hat sich eine Agentur ein erfolgreiches Kommunikationskonzept ausgedacht, schießen die Nachäffer von heute auf
morgen wie Pilze aus dem Boden. Hat ein Markenartikler es geschafft, eine Produktinnovation erfolgreich zu plazieren, dauert es nicht lange, bis die Kopien der Konkurrenz in den Regalen auftauchen.
Doch, und das führt der Spot am Ende dem Betrachter wunderbar vor
Augen, es kann nur ein Original und ergo auch nur einen Erfinder geben. Zur Strafe müssen Agenturen öffentlich Kupfer-Bekenntnisse abgeben und Firmen Plagiatpreise entgegennehmen. Und die Aussies im Spot? Die
zeigen Reue und intonieren laut am Strand "Riiiiicola"
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Den Packshot weglassen
++ Regisseure sind Künstler. Gibt es für Sie, Herr Wenders, in der
Werbung eine klare Grenze zwischen Kunst und Kommerz, die Sie nicht überschreiten werden?
Wim Wenders: Alles falsch, aber das macht gar nichts. Regisseure sind
Handwerker, Vermarkter, Erzähler, Organisatoren, keine Künstler. Höchstens Lebenskünstler. Und die Kunden? Sind auch nur Menschen. Die Grenze, von der Sie sprechen, gibt es nicht. Die Frage ist: Auf was will man
sich einlassen? Wie weit will man gehen, wenn man Werbung macht? Eigentlich entscheidet man das, wenn man den Job annimmt. Wenn man zu einem Produkt oder einem Kunden nicht stehen kann oder sich damit
geniert, sollte man diesen Kelch an sich vorbeiziehen lassen.
++ Um ein erfolgreicher Regisseur zu sein, braucht man gute,
erfolgversprechende Skripts. Wie gut ist denn die Masse der Geschichten, die Ihnen von Werbeagenturen angeboten wird?
Wenders: Ich finde viele der Storyboards, die ich bekomme, erstaunlich
witzig und erfindungsreich. Vielleicht habe ich auch ein Riesenglück und kriege von den schlechten keine ab. Aber ein gutes Skript macht nicht
unbedingt einen erfolgreichen Werbefilm aus. Als Regisseur will man seine Sache ohnehin so gut wie möglich machen, und die Hauptfrage ist daher:
Wie sehr liegt mir dieses oder jenes Skript? Does it have my name on it? Kann ich was damit anfangen, was nicht auch viele andere genauso könnten? Oder gar besser?
++ Welche Situation hassen Sie am Set?
Wenders: Wenn man genau weiß, man hat eine bessere Idee, aber man
muss als Kompromiss die schlechtere doch mitdrehen.
++ Mit welchem Vorurteil in der Werbung würden Sie gerne einmal aufräumen?
Wenders: Dass man nur bei gutem Wetter drehen kann. ++ Und welches Tabu brechen?
Wenders: Den Packshot weglassen.
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